Herpesviren können Blutvergiftung auslösen
von Ulrich Neumann
Herpes an den Lippen kennen viele Menschen. Es entwickeln sich schmerzhafte kleine Bläschen. Aber das Herpes-Virus kann auch richtig gefährlich werden und bei einem geschwächten Immunsystem eine sogenannte Herpesviren-Sepsis auslösen. Eine Sepsis (Blutvergiftung) ist eine komplexe Entzündungsreaktion des Körpers auf eine Infektion mit Bakterien, Viren oder Pilzen. Normalerweise dämmt das Immunsystem solche Infektionen ein. Schafft es das nicht, können sich die Erreger über die Blutbahn im gesamten Körper ausbreiten.
Versagen des Immunsystems
Der Sepsis liegt also quasi ein Versagen des Immunsystems zugrunde. In einer überschießenden Reaktion werden große Mengen an Botenstoffen (unter anderem Interleukine, Interferone, Prostaglandine, Leukotriene) freigesetzt, die die Entzündungsreaktion im gesamten Körpers aufrechthalten, ohne dass sie dabei der Bekämpfung der Krankheitserreger nützten. Die Folge: Stoffwechselvorgänge geraten durcheinander und die Organe werden schließlich nicht mehr ausreichend mit Sauerstoff versorgt. Herz-Kreislaufversagen, Nierenversagen, Blutgerinnungsstörungen und Lungenversagen können die Folge sein.
Im Rahmen einer intensivmedizinischen Therapie können die Organfunktionen zum Beispiel durch den Einsatz kreislaufunterstützender Medikamente, eine künstliche Beatmung oder den Einsatz von Nierenersatzverfahren (Dialyse) vorübergehend unterstützt oder ersetzt werden. Dennoch sterben 30 bis 50 Prozent der Erkrankten. Eine Sepsis ist ein Wettlauf mit der Zeit. Mit jeder Stunde, die verstreicht, ohne dass eine Therapie begonnen wird, verschlechtert sich die Prognose drastisch.
Blutreinigung entfernt entzündungsfördernde Botenstoffe
Es gibt neue wissenschaftliche Hinweise darauf, dass sich durch die Entfernung von entzündungsfördernden Botenstoffen aus dem Blut die Überreaktion des Immunsystems und der klinische Zustand von septischen Patienten mit Organversagen günstig beeinflussen lassen. Seit dem Jahr 2011 steht dazu ein spezielles Gerät zur Verfügung: ein sogenannter Zytokinabsorber (Cytosorb). Ähnlich wie bei einer Dialyse können damit Substanzen (insbesondere Zytokine), die eine Entzündung einleiten oder aufrechterhalten, im Rahmen einer Blutreinigung aus dem Blut entfernt werden.
Dennoch sind nicht alle Fragen zu dieser Therapie abschließend geklärt. Möglicherweise beeinflusst die Blutwäsche nicht nur die Zytokinkonzentration im Blut, sondern auch die Konzentration anderer lebenswichtiger Botenstoffe sowie wichtiger Medikamente und Nährstoffe. Bis der Zytokinabsorber standardmäßig eingesetzt werden kann, müssen noch Studien durchgeführt werden.